Die panne
2010
Das Stück
In seiner Erzählung “Die Panne” fragt Dürrenmatt: “Gibt es noch mögliche Geschichten, Geschichten für Schriftsteller?” Für Dürrenmatt wollen die Menschen nur noch Geständnisse und Skandalgeschichten sowie Abhandlungen des Autors über die eigene Psyche. Literatur kann, so Dürrenmatt, nicht darin bestehen, das eigene Innere nach Außen zu kehren. Er will vielmehr hinter seinem Stoff zurücktreten, ist sich aber nicht sicher, ob das noch möglich ist. Am Ende kommt er darauf, in einer Welt der Pannen zu leben. Egal, wie sehr die Welt technisiert sein wird, Pannen wird es immer geben. So lange es Pannen gibt, gibt es auch mögliche Geschichten. Und dieses Material findet er, wo “aus einem Dutzendgesicht die Menschheit blickt, Pech sich ohne Absicht ins Allgemeine weitet, Gericht und Gerechtigkeit sichtbar werden, vielleicht auch Gnade, zufällig aufgefangen, widergespiegelt vom Monokel eines Betrunkenen”. Für Dürrenmatt sind es die indirekten Zusammenhänge, die manchmal zu einer Schuld beitragen. Auch der Zufall gehört mit dazu. Er zeigt, dass in der heutigen Welt die Menschen über ihr Schicksal nicht mehr frei entscheiden können. Es ist der Zufall, der sie durchs Leben führt. Und manchmal wird eben ein Mensch durch Zufall schuldig.
Und so ist “Die Panne” eine skurrile Geschichte: Durch einen Zufall erlebt Alfredo Traps eine Autopanne. Im Dorf ist kein Zimmer frei, und so verbringt Traps die Nacht im Haus eines pensionierten Richters Wucht. Die Einladung zu einem edlen Mahl, an dem auch die Ruheständler Staatsanwalt Zorn, Verteidiger Kummer und Henker Pilet teilnehmen, wird mit der Teilnahme an einem “Spiel” verbunden. Die Greise spielen jeden Abend ihre alten Berufe und Traps soll die Rolle des Angeklagten übernehmen. Das Tischgespräch zeigt Traps als den typischen Karriere machenden Geschäftsmann, der die Mittel kennt, um Erfolg zu haben. Zuerst noch stolz auf sein Leben, wird ihm immer klarer, dass sein Verhalten den ethischen Normen der Gesellschaft widerspricht. Aus Traps Verhältnis zur Frau seines Chefs Gygax und dessen Tod dreht ihm Staatsanwalt Zorn schließlich einen Strick und klagt Traps des Mordes an. Nach einem langen Abend sieht Traps sich nicht mehr als jemanden, der die Umstände ausnutzt, sondern als aktiven Täter. Er widerspricht der Argumentation von Verteidiger Kummer, dass er unschuldig sei, gesteht den Mord und bittet Richter Wucht um das Urteil. Durch das Bekenntnis zu einem geplanten Mord kommt sich Traps bedeutend vor. Und dieses gute Gefühl lässt er sich nicht mehr nehmen.
Zur Inszenierung
“Die Panne” gibt es als Erzählung (1955), Hörspiel (1957), Fernsehspiel (1957) und Theaterstück (1979), deren drei unterschiedliche Enden von uns gezeigt werden.
Ausgehend von allen drei Werken wurden die einzelnen Rollen der sich im Laufe des Originals zunehmend betrinkenden “alten Greise” komplett aufgelöst. Vielmehr wurde nach verschiedenen Formen gesucht, in denen sich eine justizierende Gruppe in die absolute Gerichtsbarkeit hineinsteigert: “Die Hungrigen” nahmen als Ausgang ein altes englisches Gericht, die “Yuppies” stellen völlig Vorurteilsbeladen die nächste Generation der Juristen dar und die “Militanten” sind Steigerung in eine extreme Version. Dazu bekommt jede dieser drei Gruppen eine eigene Bühne.
Eine vierte Bühne besetzen die “Psychologen” die im Original gar nicht vorkommen. Als eine Art Metaebene besteht ihr kompletter Spieltext aus Zitaten der Sekundärliteratur bzw. eigenen kommentierenden Szenen zum Geschehen.
Der Bühnenaufbau der Kombination einer Areanbühne mit einer geteilten Umlaufbühne soll auch den Zuschauern die Möglichkeit geben, während der Vorstellung selbst “dutzende Gesichter” erblicken zu können. Auch das “Dutzendgesicht” des Alfredo Traps wird, um seine Allgemeingültigkeit zu unterstreichen, vierfach in leicht verschiedenen Facetten besetzt.
Die Spieler der einzelnen Bühnen treffen sich teilweise auf der mittleren Arenabühne. Diese ist auch Spielort für viele eigene entwickelte Szenen, die das Geschehen aus den einzelnen Umlaufbühnen noch verstärken oder szenisch kommentieren.
Aufführung und Karten
Mittwoch 19. Mai 2010
Donnerstag 20. Mai 2010
Freitag 21. Mai 2010
jeweils 19.30, Waggonhalle Marburg
Fotos
Ensemble
Alexandra Hespe
Cornelia Jacob
Daniela Schäfer
Demian Niemeyer
Freya von Schwichow
Isabell Mayer
Jana Lambeck
Jannika Schemm
Ji-Min Lee
Johannes Jakobi
Jule Weick
Julia Pausch
Lea Pfeiffer
Lena Hilberger
Liljana Brennstuhl
Lina Cornelius
Marie Rousselange
Martin Wöllenstein
Merit Dörner
Mikel Müller
Miriam Algedri
Miriam Bischofsberger
Nina Eisenburger
Sophia Heyrichs
Tamina Cornelius
Presse
Spielleitung
Tobias Purtauf