Gedenkstunde

„Das Gedächtnis aber ist wie ein Muskel. Und der muss jeden Tag trainiert werden. Je weniger Gedächtnis desto mehr Vergangenheit bekommen wir.“

(Schriftsteller Georgi Gospodinov aus Bulgarien)

Gedenkveranstaltung zu den Novemberpogromen 1938 im Garten des Gedenkens in Marburg

Der ehemalige Propst Helmut Wöllenstein zitierte in seiner Rede den bulgarischen Schriftsteller Georgi Gospodinov, der fragte, warum der Nationalismus in Europa wieder so erfolgreich sei. Gospodinov sagte selbst, es sei die kollektive Demenz, in die wir hineingleiten würden. Weil keine Zeitzeugen mehr da seien, die an die Schrecken erinnern, komme die Vergangenheit zurück wie eine Flut.  – Das Gedächtnis aber sei wie ein Muskel. Und der müsse jeden Tag trainiert werden. Je weniger Gedächtnis desto mehr Vergangenheit bekämen wir, so Gospodinov.

Rund 300 Menschen versammelten sich am Abend des 9. November im Garten des Gedenkens, um gemeinsam der Opfer der Novemberpogrome von 1938 zu gedenken. Die Oberhessische Presse berichtete von einer Veranstaltung, die von einer andächtigen Stimmung geprägt war. Eine Mischung aus Nachdenklichkeit und Betroffenheit herrschte, die die Grenzen von Vergangenheit und Gegenwart verschmelzen ließ. Neben den Mahnungen an die Verbrechen der NS-Zeit klangen auch aktuelle Themen an, die das Publikum bewegten: Die anhaltenden Konflikte im Nahen Osten, die Herausforderungen in Gaza und Israel, und die Schatten, die Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit in Städten wie Berlin oder Amsterdam werfen. Die Frage, wie es weitergehen solle, lastete unausgesprochen auf allen Beteiligten.

Oberbürgermeister Thomas Spieß fand dafür klare Worte: „Nie wieder darf dieses Leid geschehen – und das ‚Nie wieder‘ – ist jetzt.“

Clemens Lange, Ute Trautwein, 11.11.2024